Atemnot bei Panikattacken: Wie du verstehst, was wirklich passiert und wieder ruhig werden kannst
„Ich bekomme keine Luft!“ – kaum ein Gedanke löst so viel Panik aus wie dieser. Viele meiner Klientinnen beschreiben das Gefühl, als würde sich ein unsichtbarer Gürtel um ihre Brust legen, der immer enger wird. Das Herz rast, der Atem wird flach, der Körper verkrampft und plötzlich ist da nur noch die Angst keine Luft mehr zu bekommen.
Und doch: Auch wenn es sich so anfühlt, du bekommst genug Luft. Dein Körper ist nicht gegen dich. Er versucht, dich zu schützen.
In diesem Artikel erfährst du:
- warum du bei einer Panikattacke das Gefühl hast, zu ersticken
- was bei Hyperventilation wirklich in deinem Körper passiert
- warum dein Atem dein wichtigster Helfer bei Angst sein kann
- wie du mit Bauchatmung und langem Ausatmen dein Nervensystem beruhigen kannst
- 5 einfache Atemübungen, die du sofort ausprobieren kannst
Warum du bei Panik das Gefühl hast, keine Luft zu bekommen
Im Artikel über die Nervensystem Regulation bin ich bereits auf die biologischen Abläufe bei Panik eingegangen, lies dort gerne noch rein, falls du den Artikel noch nicht kennst. Wenn Angst dein System überschwemmt, schaltet dein Körper in den Überlebensmodus. Das bedeutet: Adrenalin wird ausgeschüttet, dein Herz schlägt schneller, Muskeln spannen sich an – und du atmest automatisch schneller und flacher. Dein Körper bereitet sich darauf vor, zu fliehen oder zu kämpfen.
Diese schnelle Atmung nennt man Hyperventilation – sie kann die Ursache für viele deiner Körperreaktionen sein. Dabei atmest du mehr Kohlendioxid (CO₂) aus, als dein Körper braucht. Der CO₂-Spiegel im Blut sinkt – und das führt dazu, dass sich die Blutgefäße verengen. Die Folge: Schwindel, Kribbeln, Benommenheit, Engegefühl in der Brust oder im Hals, und das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen.
Paradoxerweise führt der Versuch, mehr zu atmen, nur dazu, dass du noch schneller atmest und die Symptome sich verstärken. Das Gefühl von Atemnot ist also keine echte Luftnot, sondern eine biologische Fehlinterpretation deines Körpers.
Dein Körper denkt: Gefahr! Ich muss mehr atmen! Aber in Wahrheit ist genau das der Moment, in dem du lernen darfst, weniger zu tun. Wichtig ist hier z.B. wieder das langsame Ausatmen, hierüber und über andere Tools habe ich auch schon im Artikel Bewusste Atmung geschrieben.
Sobald du den Atem beruhigst und wieder langsamer atmest, normalisiert sich auch der CO₂-Spiegel und die Symptome lassen nach.

Dein Atem kann der direkte Weg in die Ruhe sein
Ich bin der Meinung, dass der Atem ein unglaublich wichtiges Bindeglied zwischen Körper und Psyche sein kann. Er reagiert auf deine Gefühle und er kann sie auch beeinflussen. Wenn du ruhig und gleichmäßig atmest, signalisierst du deinem Nervensystem: Ich bin sicher.
Das ist keine Esoterik, sondern Biologie. Langsames, bewusstes Atmen aktiviert den Vagusnerv, der Teil des parasympathischen Nervensystems ist, also deines inneren Beruhigungsprogramms. Das bedeutet: Dein Herzschlag wird ruhiger, die Muskeln entspannen sich und dein Gehirn bekommt das Signal, dass keine akute Gefahr besteht.
Im hypnosystemischen Sinne ist das ein Moment, in dem du wieder vom Reagieren ins Spüren kommst. Dein Atem hilft dir, dich selbst zu regulieren und zwar ohne gegen dich kämpfen zu müssen.
Bauchatmung bei Panikattacken aktiviert dein parasympathisches Nervensystem
Viele Menschen atmen, besonders in Stressmomenten, in den oberen Brustraum. Das ist die sogenannte Brustatmung, die eng mit dem Alarmmodus deines Nervensystems verbunden ist. Sie hält dich in Spannung.
Die Bauchatmung (oder Zwerchfellatmung) dagegen aktiviert den Ruhemodus. Wenn du in den Bauch atmest, bewegt sich dein Zwerchfell nach unten, die Lunge kann sich vollständig füllen, und der CO₂-Spiegel stabilisiert sich. Das wirkt unmittelbar beruhigend – auf körperlicher, aber auch auf emotionaler Ebene. Zwerchfellatmung ist übrigens die Art zu atmen, die wir alle als Kinder ganz automatisch beherrscht haben. Bis Stress und Anspannung sie uns abtrainiert haben.
Probier das bitte mal aus:
Lege eine Hand auf deinen Bauch und eine auf deine Brust.
Atme ganz ruhig ein – hebt sich dein Bauch oder deine Brust?
Wenn sich vor allem der Bauch hebt, bist du in der Zwerchfellatmung. Wenn nicht, kannst du das ganz leicht trainieren. Atme ein paar Atemzüge ganz bewusst in den Bauch, bau dir im Laufe des Tages immer wieder kleine Ateminseln ein, in dieser Zeit nimmst du ein paar Atemzüge und achtest darauf, in den Bauch zu atmen.

5 Atemübungen, die dir bei Panik helfen können
Wie immer kommt jetzt auch gleich ein Praxisteil mit kleinen Übungen, die ganz einfach sind, aber unglaublich wirksam sein können. Sie können dir helfen, deinen Atem zu regulieren und das Gefühl von Kontrolle zurückzugewinnen.
Tipp Nr. 1: Langes Ausatmen
Du hast es im Artikel schon kurz gelesen, weil das für mich die absolute Basis der Atemtools bei Angst und Panik ist. Ich wiederhole es gern, weil es so entscheidend ist: Das lange Ausatmen kann ein echter Gamechanger sein.
Du musst nicht zwingend dabei zählen, wichtig ist aber, dass du durch die Nase einatmest und dann deutlich länger durch den leicht geöffneten Mund wieder aus. Wenn du dabei zählen magst: Atme vier Sekunden ein und dann sechs bis acht Sekunden aus.
Das lange Ausatmen aktiviert den Vagusnerv und beruhigt deinen Körper unmittelbar.
Tipp: Stell dir vor, du pustest sanft eine Kerze aus, ohne sie zu löschen.
Tipp Nr. 2: Hand auf den Bauch
Lege eine Hand auf deinen Bauch, so wie oben im Artikel bereits beschrieben und spüre, wie er sich bei jedem Atemzug hebt und senkt. Diese einfache Geste bringt dich aus dem Kopf zurück in den Körper.
Tipp Nr. 3: Zählen beim Atmen
Du kannst beim Atmen einfach EIN und AUS – am besten ein gaaaaanz langes AUUUUUUUS – denken. Du kannst aber auch zählen. Zum Beispiel beim Einatmen bis vier, beim Ausatmen bis sechs. So bleibst du automatisch im Rhythmus und dein Körper folgt deiner Ruhe.
Tipp Nr. 4: Ausatmen mit Geräusch
Diesen Tipp solltest du wohl nicht unbedingt im Großraumbüro ausprobieren. 😉 Wenn du für dich alleine bist oder dir vertraute Menschen um dich herum hast, ist er aber eine wunderbare Methode zur Entspannung. Atme hörbar aus – zum Beispiel mit einem leisen „haaaah“ oder „fffff“. Das verlängert das Ausatmen ganz von selbst und hilft, Spannung loszulassen. Summen hat übrigens ebenfalls eine sehr beruhigende Wirkung auf dein Nervensystem. Einfach mal ausprobieren und überraschen lassen.
Tipp Nr. 5: Übe regelmäßig
In meiner Praxis erlebe ich oft, dass Klientinnen sagen: „Das wirkt bei mir nicht.“ Doch der Atem braucht, wie alles, ein bisschen Übung und Vertrauen. Du darfst ein bisschen Geduld mit dir haben und eine Zeit lang durchhalten. Vielleicht wirkt eine Methode nicht gleich beim ersten oder zweiten Mal, dein Nervensystem ist momentan eventuell auf einem sehr hohen Stresslevel unterwegs. Aber je öfter du z.B. bewusst atmest, desto vertrauter wird dieses Gefühl. Dann erinnert sich dein Körper in Stressmomenten schneller an die Ruhe, die er schon kennt. Also
Weitere Infos darüber, wie du lernen kannst, dein Nervensystem zu regulieren, findest du im Artikel Nervensystem regulieren lernen: 3 Wege, wie du dich wieder sicher fühlst

Dein Atem als dein Kompass
Auch wenn es sich so anfühlt: Die Panik will dich nicht zerstören – sie will dich schützen. Wenn du verstehst, was dein Körper in diesen Momenten versucht, kannst du beginnen, mit ihm statt gegen ihn zu arbeiten. Dein Atem ist dabei wie ein Kompass: Er zeigt dir immer wieder den Weg zurück zu dir selbst.
Im hypnosystemischen Verständnis darfst du dich neugierig fragen: Was möchte mein Körper mir gerade zeigen und was braucht er, um sich sicher zu fühlen?
Und jedes Mal, wenn du dich bewusst dafür entscheidest, ruhig auszuatmen,
machst du einen kleinen, aber wichtigen Schritt – hin zu mehr Sicherheit, Selbstwirksamkeit und Vertrauen in deinen Körper.
Mehr Infos zu den Prozessen im Körper, die bei einer Panikattacke ablaufen, findest du im Blogartikel Panik verstehen: Was in deinem Nervensystem wirklich passiert
Fazit: Dein Atem ist ein mächtiges Werkzeug
Dein Atem ist immer bei dir, auch in Momenten, in denen alles aus dem Ruder zu laufen scheint. Wenn du lernst, ihn bewusst zu nutzen, wird er zu deinem stärksten Anker in stürmischen Zeiten. Und jedes Mal, wenn du ruhig ausatmest, erinnerst du deinen Körper daran, dass du wieder sicher bist.
Wenn du mehr Übungen und Wissen rund um Panik, Ängste und Selbstregulation haben möchtest, melde dich gern zu meinem Newsletter an oder buche ein kostenloses Kennenlerngespräch über Doctolib. Gemeinsam werfen wir einen Blick auf verschiedenen Wege raus aus der Angst und entdecken Möglichkeiten, die genau zu dir passen und dein Nervensystem langfristig stärken können.
Du musst da nicht alleine durch, gemeinsam schaffen wir das.