Vom unechten Gefühl zum unerfüllten Bedürfnis: So findest du Klarheit und erkennst deine wahren Bedürfnisse
Unechte Gefühle? Hört sich erstmal komisch an, oder? Aber vielleicht kennst du folgendes: Jemand sagt etwas, und sofort fühlst du dich nicht respektiert, übergangen oder betrogen. Die Emotion ist sofort da – stark, intensiv, manchmal überwältigend. Jetzt könnte man oberflächlich bei dieser Emotion bleiben, doch wenn du genauer hinschaust, steckt unter diesem Gefühl oft etwas ganz anderes: ein echtes Bedürfnis, das gehört werden möchte.
In diesem Artikel erfährst du:
- Was echte und unechte Gefühle sind – und warum diese Unterscheidung so wichtig ist
- Wie du erkennst, ob du gerade in einem unechten Gefühl festhängst
- Welche Bedürfnisse unter deinen Emotionen liegen
- Wie du lernst, echte Gefühle klarer wahrzunehmen
- 5 konkrete Tipps, mit denen du sofort starten kannst
Was sind „echte“ und „unechte“ Gefühle?
- Echte Gefühle entstehen immer dann, wenn du direkt spürst, was in dir passiert – zum Beispiel Angst, Trauer, Wut, Freude oder Scham. Sie sind Signale, die dir etwas über deine Bedürfnisse mitteilen.
- Unechte Gefühle dagegen sind eher eine Interpretation des Verhaltens deines Gegenübers oder auch einer Situation. Sie sind eher eine Vermutung, als ein echtes Gefühl. Sie entstehen, wenn du deine Wahrnehmung durch die Brille von Gedanken wie „Ich fühle mich nicht respektiert.“ oder „Ich habe das Gefühl, betrogen worden zu sein.“ filterst.
Das bedeutet nicht, dass unechte Gefühle „falsch“ wären – sie sind nur ein Hinweis darauf, dass du einen Schritt tiefer schauen darfst. Denn hinter ihnen stecken meist ganz reale, echte Gefühle wie Angst, Ohnmacht oder Traurigkeit. Bleiben wir bei den Vermutungen oder Interpretationen, dann verpassen wir die Chance das wirkliche Bedürfnis dahinter kennenzulernen.
In meiner Praxis erlebe ich beinahe täglich, dass Klientinnen ihre wahren Bedürfnisse gar nicht mehr wahrnehmen können. Es braucht dann ein bisschen Zeit, einen liebevollen Umgang mit sich selbst und Übung, um zu entdecken, welche Bedürfnisse hinter den „unechten“ Gefühlen stecken.
Mehr zum Thema Scham findest du übrigens in meinem Blogartikel: Scham verstehen und besser mit ihr umgehen
Hypnosystemischer Blick: Warum unechte Gefühle entstanden sind
Unechte Gefühle sind oft ein Versuch deines Systems, dich zu schützen. Wenn du dich z. B. „nicht respektiert“ fühlst, ist das eine Strategie deines inneren Anteils, dich vor Ablehnung oder Verletzung zu bewahren. Dieser Anteil hat irgendwann gelernt, dass es sicherer ist, in die Bewertung zu gehen, statt das echte Gefühl – z. B. Traurigkeit oder Angst – zu spüren.
Das heißt: Auch unechte Gefühle haben eine Funktion. Sie wollten dir einmal helfen, Situationen besser zu bewältigen. Heute ist es jedoch oft hilfreicher, diese Gefühle zu „übersetzen“ und zu verstehen, welches echte Bedürfnis sich dahinter verbirgt.
Mehr zur hypnosystemischen Sichtweise erfährst du in meinen Artikel: Hypnosystemische Therapie erklärt – so wirkt der integrative Ansatz
Alltagsbeispiele: So erkennst du den Unterschied
Woran kannst du nun bemerken, ob du ein „echtes“ oder „unechtes“ Gefühl verspürst? Im Grunde ist es ganz einfach. Bei „unechten“ Gefühlen entsteht der falsche Eindruck, der andere wäre schuld und trage die Verantwortung für dein Gefühl und das dahinterliegende Bedürfnis. Das ist falsch und lässt dich leicht glauben, du seist ein Opfers der Umstände.
Hier kommen ein paar Beispiele für „unechte“ Gefühle:
- „Ich fühle mich nicht respektiert.“
→ echtes Gefühl darunter: Traurigkeit oder Wut, weil dir Nähe oder Wertschätzung fehlt. - „Ich fühle mich betrogen.“
→ echtes Gefühl darunter: Angst oder Scham, weil Sicherheit und Vertrauen verletzt wurden. - „Ich fühle mich nicht ernst genommen.“
→ echtes Gefühl darunter: Einsamkeit oder Ohnmacht, weil du dir Verständnis und Zugehörigkeit wünschst. - „Ich fühle mich nicht unterstützt.“
→ echtes Gefühl darunter: Ärger oder Trauer, weil du Entlastung und Gemeinschaft brauchst. - „Ich fühle mich bemuttert.“
→ echtes Gefühl darunter: Frust oder Scham, weil du Selbstbestimmung und Eigenverantwortung leben möchtest.
Diese Beispiele zeigen: Unechte Gefühle sind wie Hinweisschilder – sie deuten dir den Weg, aber das eigentliche Ziel liegt darunter verborgen.

5 Tipps, wie du echte Gefühle leichter erkennen kannst
Im ersten Schritt geht es nun darum, die „unechten“ Gefühle erst einmal zu bemerken und zu hinterfragen, was du eigentlich gerade brauchst.
- Stopp-Moment einbauen
Wenn du dich überrollt fühlst von einem Gefühl wie „ich werde nicht respektiert“, atme bewusst tief ein und aus. Schaffe einen kleinen Abstand, bevor du reagierst. - Frage dich: Was brauche ich gerade?
Unechte Gefühle sind wie ein Code. Frage dich: Welches Bedürfnis steckt dahinter? Geht es um Sicherheit, Zugehörigkeit, Wertschätzung oder Freiheit? - Den Körper befragen
Echte Gefühle zeigen sich im Körper: z.B. Angst im Bauch, Wut in den Fäusten, Trauer im Brustbereich. Lege die Hand an die Stelle, wo du gerade am meisten spürst – das hilft, Kontakt mit dem echten Gefühl aufzunehmen. - Von „du“ auf „ich“ wechseln
Statt: „Du respektierst mich nicht!“ – probiere: „Ich fühle mich traurig, weil mir Wertschätzung fehlt.“ So übernimmst du Verantwortung für dein Gefühl und machst dich unabhängiger von der Reaktion des anderen. - Mitfühlend mit dir sein
Erinner dich: Auch unechte Gefühle haben dich lange geschützt. Begegne dir selbst liebevoll, statt dich dafür zu kritisieren. Selbstmitgefühl ist der Schlüssel, um innere Klarheit zu gewinnen.
Für all diese Tipps gilt: Es braucht Übung und Zeit. Sei nett zu dir und taste dich langsam vorwärts. Du darfst stolz auf dich sein, für jeden noch so kleinen Schritt!
Sicherlich fragst du dich nun, wie du denn ein unechtes Gefühl konstruktiv kommunizieren kannst. Hier kommt ein kleines Beispiel für dich:
So bitte nicht: „Ich fühle mich von dir ausgenutzt.“
Stattdessen zum Beispiel: „Wenn ich den Eindruck habe, dass ich von dir ausgenutzt werde, bin ich verärgert, weil mir Aufrichtigkeit und Gerechtigkeit wichtig sind.“
FAZIT: Echte Gefühle zeigen dir, was du wirklich brauchst.
Unechte Gefühle sind nicht falsch – sie sind ein Wegweiser. Doch wenn du lernst, darunterzuschauen, kommst du deinen echten Gefühlen näher. Und diese zeigen dir: Du bist lebendig, du bist verbunden, und du darfst deine Bedürfnisse ernst nehmen.
Du bist nicht „zu empfindlich“ oder „zu kompliziert“ – du bist ein Mensch mit echten Gefühlen, die wichtig und wertvoll sind.
Im nächsten Blogartikel geht es um das Thema Bedürfnisse, Gefühle und Emotionen und Stimmungen. Schau gerne einmal vorbei: Gefühle verstehen – Warum du kein Opfer deiner Gefühle bist
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