Emetophobie: Wenn die Angst vor dem Erbrechen dein Leben bestimmt
Stell dir vor, du sitzt mit Freundinnen im Restaurant. Eigentlich möchtest du den Abend genießen – und doch kreisen deine Gedanken nur darum: „Hoffentlich wird mir oder jemandem im Umfeld nicht schlecht.“ Partys, bei denen Alkohol konsumiert wird, werden mit dem Gedanken: „Was, wenn sich jemand übergeben muss?“ gemieden.
Vielleicht isst du deshalb lieber gar nichts, sagst Verabredungen ab oder meidest Reisen aus Angst vor möglicher Übelkeit und Erbrechen. Die Angst, die Kontrolle zu verlieren, bestimmt dein Leben – und niemand soll es merken.
Wenn dir das bekannt vorkommt: Du bist nicht allein. Emetophobie – die Angst vor dem Erbrechen – ist viel verbreiteter, als viele glauben. Und das Wichtigste: Es gibt Wege heraus aus dieser Spirale.
In diesem Artikel erfährst du:
- was Emetophobie ist und wie sie sich zeigt
- warum sie oft fehldiagnostiziert wird
- mögliche Ursachen der Emetophobie
- Behandlungsmöglichkeiten – und wie ein Therapieprozess aussehen kann
- 5 Tipps, die dir sofort im Alltag helfen können
Was ist Emetophobie eigentlich?
Emetophobie ist eine spezifische Angststörung. Ganz wichtig: Betroffene haben nicht einfach nur Ekel vor dem Erbrechen. Es ist eine tief sitzende Angst davor, sich selbst übergeben zu müssen oder andere sich übergeben zu sehen.
Diese Angst kann so stark werden, dass sie den Alltag massiv einschränkt:
- Ständige Selbstbeobachtung („Fühlt sich mein Bauch normal an?“)
- Vermeiden bestimmter Lebensmittel oder Situationen (Restaurants, Partys, Reisen)
- Angst vor Krankheiten, weil Übelkeit auftreten könnte
- Panikattacken in vermeintlich „ungefährlichen“ Momenten
Während Ekel ein normales Gefühl ist, das uns schützt, geht Emetophobie weit darüber hinaus: Sie bestimmt Denken und Handeln – und raubt Lebensqualität.
Warum Emetophobie oft fehldiagnostiziert wird
Viele Menschen mit Emetophobie erleben eine wahre Diagnose-Odyssee. Denn ihre Symptome wirken auf den ersten Blick wie etwas ganz anderes. Ich erlebe häufig, dass Klientinnen viele Jahre – teils Jahrzehnte – mit Symptomen leben, die auf verschiedenste Arten interpretiert wurden.
- Verwechslung mit Essstörungen: Manche essen so eingeschränkt aus Angst vor Übelkeit, dass es aussieht wie Magersucht oder orthorektisches Verhalten. Doch hier geht es nicht um Gewicht oder Figur – sondern um die Angst vor dem Erbrechen.
- Chronische Übelkeit ohne Befund: Viele konsultieren Ärzt:innen, machen Magen- und Darmspiegelungen, Bluttests, Ultraschall – und doch wird nichts gefunden. Häufig folgt dann ein vager Stempel wie „Reizmagen“ oder „psychosomatisch“.
- Allgemeine Angst- oder Panikdiagnosen: Da auch Paniksymptome auftreten (Herzrasen, Schwindel, Schweißausbrüche), wird Emetophobie oft unter „generalisierte Angststörung“ oder „Panikstörung“ eingeordnet – ohne die spezifische Angst klar zu benennen.
Das Problem: Solange die Emetophobie nicht erkannt wird, bleibt sie unbehandelt. Betroffene fühlen sich unverstanden und ziehen sich noch mehr zurück.
Ursachen – woher kommt die Angst?
Aus meiner Praxis weiß ich: Viele Menschen wünschen sich, dass es die eine Ursache gibt. Dahinter steckt die Hoffnung: „Wenn ich nur verstehe, woher das kommt, dann verschwindet es auch.“ So nachvollziehbar dieser Wunsch ist – in der Realität funktioniert es leider selten so einfach.
Manchmal steckt tatsächlich ein prägendes Erlebnis dahinter:
- ein traumatisches Erbrechen in der Kindheit,
- das Miterleben, wie jemand anderes erbricht,
- oder ein Moment, in dem du dich völlig hilflos und ausgeliefert gefühlt hast.
Doch genauso oft findet sich gar kein klarer Auslöser. Manche Betroffene berichten, dass sie schon immer sehr sensibel auf Übelkeit reagiert haben. Bei anderen hat sich die Angst schleichend aufgebaut, bis sie irgendwann immer mehr Raum im Leben eingenommen hat.
Und das ist wichtig zu wissen: Es ist völlig in Ordnung, wenn du keine eindeutige Ursache findest. Denn selbst wenn wir sie kennen, ändert das meist nichts an den aktuellen Symptomen. Entscheidend ist nicht, warum die Angst damals entstanden ist, sondern wie du heute damit umgehst.
Aus hypnosystemischer Sicht würdigen wir, dass die Angst einmal eine Funktion hatte – sie wollte dich vielleicht vor Kontrollverlust, Scham oder Ohnmacht schützen. Heute ist es möglich, neue Erfahrungen zu machen: Erfahrungen von Sicherheit, Vertrauen und Selbstwirksamkeit.

Behandlungsmöglichkeiten – was kann helfen?
Es gibt verschiedene Wege, mit Emetophobie umzugehen. Nachfolgend möchte ich dir ein paar Möglichkeiten aufzeigen und dir im nächsten Schritt erläutern, wie ein beispielhafter Behandlungsverlauf aussehen könnte.
Dies sind u.a. Möglichkeiten, die Emetophobie psychotherapeutisch zu behandeln:
- Verhaltenstherapie: Schrittweise Konfrontation mit der Angst, um neue Erfahrungen zu machen.
- Hypnosystemische Therapie: Innere Sicherheit und Ressourcen stärken, Anteile würdigen und neue Lösungswege entwickeln.
- EMDR: Belastende Erinnerungen verarbeiten, die mit der Angst verbunden sind.
- Achtsamkeit & Atemtechniken: Lernen, Panik frühzeitig abzufangen.
Jeder Mensch ist anders, deshalb ist es wichtig, einen Weg zu finden, der zu dir passt.
Wie ein möglicher Behandlungsverlauf aussehen kann
Damit du dir besser vorstellen kannst, wie sich ein Behandlungsverlauf darstellen könnte, kommt hier ein Beispiel für einen möglichen Prozess in meiner Praxis (ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit):
- Sicherheit im Erstgespräch
Am Anfang geht es darum, dass du dich verstanden fühlst. Viele Klientinnen sind erleichtert, endlich ernst genommen zu werden. Gemeinsam klären wir, wie deine Angst aussieht und was du dir für dich wünschst. - Ressourcen aktivieren
Bevor wir die Angst direkt anschauen, stärken wir deine inneren Stärken. Mit Tools aus verschiedenen Therapiekonzepten erlebst du: „Ich habe in mir Ruhe und Sicherheit, ich kann Einfluss nehmen.“ Mehr zum Thema Ressourcen findest du in diesem Blogartikel: Entdecke deine Ressourcen - Den angstvollen Anteil würdigen
Wir betrachten die Angst neugierig: Wann ist sie entstanden und wofür? Welche gute Absicht steckt dahinter? Erkennen, dass die Angst dich eigentlich schützen wollte, verändert die Perspektive. - Neue Erfahrungen ermöglichen
In Trance oder Alltagsexperimenten übst du, dass Übelkeit oder Unsicherheit nicht automatisch Panik bedeuten. Dein Körper speichert neue Erfahrungen von Sicherheit ab. - Den Alltag zurückerobern
Kleine Schritte wie ein Restaurantbesuch, eine kurze Fahrt oder ein neues Lebensmittel helfen, Vertrauen zurückzugewinnen – in deinem Tempo, ohne Druck. - Integration & Ausblick
Am Ende stehen mehr Selbstvertrauen, hilfreiche Strategien und das Gefühl: „Ich habe wieder Wahlmöglichkeiten.“ Vielleicht ist die Angst noch da – aber sie ruhiger geworden, sie bestimmt nicht mehr dein Leben.
5 Tipps für deinen Alltag
Wie immer möchte ich dir an dieser Stelle auch gleich ein paar praktische Tipps für deinen Alltag mit auf den Weg geben. Probier sie für dich aus und schreib mir gerne unten in den Kommentaren, was für dich gut funktioniert hat.
- Atme bewusst – Zähle beim Einatmen bis 4, halte kurz inne, atme auf 6 aus. Das signalisiert deinem Körper: „Alles ist sicher.“ Weitere Körperübungen findest du im Blogartikel „Körperübungen bei Angst“
- Schreibe ein Angst-Tagebuch – Erkenne Muster und gewinne Abstand zu deinen Gedanken.
- Reframe deine Angst – Erinnere dich: Sie wollte dich einmal schützen.
- Starte mit Mini-Schritten in die Konfrontation – Kleine Schritte statt Vermeidung. Jeder Erfolg zählt. Warum Vermeidung sich kurzfristig gut anfühlt und langfristig eher schadet, erfährst du im Blogartikel: Vermeidung bei Angst
- Stärke deine Selbstfürsorge – Achte auf Schlaf, Ernährung, Bewegung. Ein stabiler Körper gibt dir Sicherheit.

FAZIT: Du bist mehr als deine Angst – du darfst dein Leben zurückerobern
Auch wenn es sich manchmal so anfühlt: Du bist nicht deine Angst. Sie ist nur ein Teil von dir – und Anteile können sich verändern. Du bist viel mehr als diese Phobie – kraftvoller, lebendiger, freier.
Vielleicht darfst du dir schon heute erlauben, den ersten kleinen Schritt zu gehen. Wenn du spürst, dass es Zeit ist, diese Angst nicht länger dein Leben bestimmen zu lassen, begleite ich dich gerne auf deinem Weg.
Wenn du neugierig geworden bist und mehr über die hypnosystemische Therapie bei Ängsten erfahren möchtest, schau dich gerne auf meinem Blog um, abonniere meinen Newsletter oder vereinbare ein kostenloses Kennenlerngespräch mit mir. Ich freue mich, dich auf deinem Weg zu begleiten.
Du musst da nicht alleine durch, gemeinsam schaffen wir das.