Hypnosystemische Therapie in der Praxis: 4 fiktive Beispiele, die Mut machen
Vielleicht hast du schon meinen ersten Artikel zur hypnosystemischen Therapie gelesen. Dort habe ich erklärt, was diesen Ansatz ausmacht und warum er so wirkungsvoll sein kann.
Heute möchte ich dich mitnehmen in typische Situationen, wie sie viele meiner Klientinnen erleben – natürlich anonym und fiktiv, aber sehr nah an der Realität. So bekommst du ein Gefühl dafür, wie hypnosystemische Arbeit konkret aussehen kann und welche Veränderungen teils schon in wenigen Sitzungen möglich sind.
Dieser Artikel enthält:
- 4 typische Beispiele aus dem Praxis-Alltag, die zeigen, wie hypnosystemische Therapie wirken kann
- Beispiele, wie eine hypnosystemische Sitzung aufgebaut sein kann
- Mini-Übungen, die du selbst ausprobieren kannst, um dich sofort zu stärken
Fallbeispiel 1: Panik beim Autofahren überwinden
Ausgangssituation:
Anna, 37, Projektmanagerin, hatte seit einem halben Jahr Angst, Auto zu fahren. Besonders auf der Autobahn bekam sie Herzrasen und Schwindel. Sie hatte schon mehrere Panikattacken erlebt und vermied das Autofahren, sofern dies irgendwie möglich war. Der Alltag war stark eingeschränkt – der Weg zur Arbeit wurde zur Anstrengung.
Hypnosystemische Arbeit:
Im ersten Gespräch klärten wir Annas Ziel: Sie wollte wieder selbstbestimmt fahren können. Wir begannen mit der Ressourcensuche – was tat ihr gut, was stärkte sie? Welche Situationen aus ihrem Leben kannte sie, in denen sie die für die Autofahrten gewünschte Ruhe und Sicherheit erlebte? Gab es eine Situation aus der Vergangenheit, in der sie sich am Steuer eines Autos sicher gefühlt hatte?
Ressourcenaktivierung:
In dieser ersten Sitzung verankerten wir eine Situation, in der sie sich absolut wohl, ruhig und klar gefühlt hat. Es war eine Urlaubssituation, in der sie am Meer saß. Ihr Körperanker war ein leichter Druck zwischen Daumen und Zeigefinger. Sie drückte diese sanft zusammen, während sie sich dieses sichere Gefühl vorstellte. Zudem nutzte sie für sich das Codewort „Ruhe“. Ihren Anker übte sie nun mehrere Wochen lang zwischen den Sitzungen, damit er sie in Situationen der Angst unterstützen konnte.
Hypnosystemische Arbeit und Veränderung:
In den folgenden Sitzungen pendelten wir in einer leichten Trance zwischen belastenden Situationen und Wohlfühl-Situationen, und Anna entspannte zusehends. Sie berichtete, dass nach der 2. Sitzung bereits eine kurze, entspannte Fahrt in ihrem Wohnviertel möglich war. Nach der 4. Sitzung fuhr Anna wieder selbstsicher durch die Stadt und nach der 5. Sitzung war es ihr möglich, wieder Autobahn zu fahren. Noch mit etwas Aufregung, doch mit Hilfe ihres Ankers konnte sie sich in diesen Situationen beruhigen. Sie begann mit kurzen Strecken und baute ihren Radius peu à peu aus, bis sie nach einigen Wochen auch wieder mit dem Auto zur Arbeit fahren konnte.

Fallbeispiel 2: Lampenfieber & Präsentationsangst lindern
Ausgangssituation:
Julia, 42, Teamleiterin, litt unter starkem Lampenfieber. Vor Präsentationen bekam sie schweißnasse Hände, Herzrasen und Blackouts. Sie vermied es zunehmend, vor Gruppen zu sprechen, und schob die Verantwortung für Meetings auf ihr Team – was ihr wiederum ein schlechtes Gewissen machte.
Hypnosystemische Arbeit:
Im ersten Gespräch erarbeiteten wir, was Julia erreichen wollte: Sie wollte ruhig und klar vor anderen sprechen können. Wir suchten nach Situationen, in denen sie sich bereits sicher und souverän gefühlt hatte – etwa in einem vertrauten Gespräch mit ihrer besten Freundin oder beim Erzählen von Geschichten in geselliger Runde.
Ressourcenaktivierung:
Wir verankerten das Gefühl von Ruhe und Gelassenheit in einer Imagination, in der Julia sich auf einer Bühne vorstellte – dieses Mal entspannt und mit Freude. Ihr Körperanker war ein sanftes Berühren ihres Schlüsselbeins. Zusätzlich wählten wir das innere Bild eines warmen, goldenen Lichts, das sie umhüllte, wann immer sie sprach.
Hypnosystemische Arbeit und Veränderung:
In den nächsten Sitzungen übten wir schrittweise, die Situation der Präsentation in Trance aufzusuchen, zunächst mit wenig Publikum, dann mit größerem. Julia berichtete, dass sie bereits nach der zweiten Sitzung weniger nervös war. Nach der vierten Sitzung hielt sie eine kurze Präsentation im Team ohne Blackout. Einige Wochen später konnte sie ein wichtiges Meeting souverän leiten und bekam positives Feedback von ihrer Chefin.

Fallbeispiel 3: Ausstieg aus dem Perfektionismus
Ausgangssituation:
Mara, 35, Ärztin, war ständig erschöpft und fühlte sich unter Druck, alles perfekt machen zu müssen. Fehler waren für sie keine Option. Sie arbeitete bis spät in die Nacht und gönnte sich kaum Pausen. Innerlich spürte sie einen ständigen Antreiber, der ihr keine Ruhe ließ.
Hypnosystemische Arbeit:
Wir arbeiteten mit Mara daran, die inneren Stimmen, die sie so unter Druck setzten, kennenzulernen. In der Imagination lud sie ihren „Antreiber“ ein, mit uns in den Dialog zu gehen. Dabei zeigte sich, dass dieser Anteil sie eigentlich schützen wollte – er wollte verhindern, dass sie kritisiert wird oder versagt.
Ressourcenaktivierung:
Mara entdeckte in der Trance eine „innere Mentorin“, die sie ermutigte, freundlich mit sich selbst zu sein. Wir verankerten dieses Bild – eine weise, ruhige Frau an ihrer Seite – als Ressource. Ihr Körperanker war das Legen der Hand aufs Herz, um sich mit dieser wohlwollenden Energie zu verbinden.
Hypnosystemische Arbeit und Veränderung:
Mit der Zeit lernte Mara, zwischen ihrem Antreiber und ihrer inneren Mentorin hin- und herzupendeln. Sie begann, bewusst Pausen einzuplanen und kleine Fehler als Lernchance zu sehen. Nach einigen Wochen berichtete sie, dass sie wieder Spaß an ihrer Arbeit hatte und abends entspannter nach Hause kam.
Fall 4: Selbstwert stärken & Schamgefühle loslassen
Ausgangssituation:
Lisa, 29, Grafikdesignerin, kämpfte mit starkem Schamgefühl. Sie hatte das Gefühl, nie gut genug zu sein, und hielt sich bei Besprechungen zurück. Komplimente konnte sie nicht annehmen. Nach einem Konflikt im Team zog sie sich völlig zurück.
Hypnosystemische Arbeit:
In der ersten Sitzung erkundeten wir gemeinsam, woher dieses Gefühl kam. Lisa erinnerte sich in einer Trance an eine lange zurückliegende Schulsituation, in der sie vor der Klasse ausgelacht wurde. In der Trance begleitete sie ihr jüngeres Selbst liebevoll durch diese Situation.
Ressourcenaktivierung:
In mehreren Sitzungen stärkten wir Lisas innere, ressourcenreiche Anteile, die dann wiederum ihren jüngeren schüchternen Anteilen zur Seite stehen konnten. Sie stellte sich vor, einen ängstlichen Anteil, den sie „Die Schüchterne“ nannte, an die Hand zu nehmen und ihr zu sagen: „Du bist gut so, wie du bist.“
Hypnosystemische Arbeit und Veränderung:
Mit jeder Sitzung konnte Lisa mehr Mitgefühl für sich selbst entwickeln. Sie begann, Komplimente anzunehmen, ohne sie sofort abzuwerten. Nach einigen Wochen berichtete sie, dass sie sich wieder aktiv ins Team einbrachte und sogar eine eigene Idee präsentierte.

Ein Blick hinter die Kulissen: So könnte eine Sitzung ablaufen
Damit du dir noch besser vorstellen kannst, wie hypnosystemische Therapie funktioniert, habe ich hier einen fiktiven Ablauf für eine erste und zweite Sitzung erstellt:
Vorgespräch & Zielklärung: Zu Beginn klären wir gemeinsam, was du verändern möchtest. Ganz wichtig: Wir schauen immer, was stattdessen da sein soll. Viele Menschen wissen sehr genau, was weg soll, können aber vielleicht erstmal nicht beschreiben, was denn stattdessen eintreten soll. Wir formulieren gemeinsam dein klares, positives Ziel.
Ressourcensuche & -stärkung: Bevor wir uns belastenden Themen zuwenden, suchen wir nach deinen inneren Stärken. Vielleicht gab es schon Situationen, in denen du mutig, ruhig oder gelassen warst. Diese Momente holen wir in deiner Vorstellung ganz lebendig zurück – du spürst, siehst und hörst sie mit allen Sinnen. So entsteht ein inneres Kraftbild, das dich in den weiteren Sitzungen unterstützt. Möchtest du mehr zum Thema Ressourcen erfahren, dann schau gerne einmal in diesem Blogartikel vorbei: Entdecke deine Ressourcen und Kraftquellen
Körperanker setzen: Damit du jederzeit auf dieses Gefühl zugreifen kannst, verankern wir es im Körper, z. B. durch das sanfte Zusammendrücken von Daumen und Zeigefinger oder eine Handbewegung. Das gibt dir ein Werkzeug, das du auch im Alltag nutzen kannst.
Arbeit mit inneren Anteilen: In einem leichten Trancezustand laden wir innere Anteile ein, die z. B. Angst machen oder dich antreiben. Sie dürfen erzählen, warum sie da sind und was sie dir eigentlich Gutes tun wollen. Oft entsteht so ein völlig neuer Blick auf die eigenen Gefühle – statt sie zu bekämpfen, lernst du sie zu verstehen.
Arbeit mit Bildern & Imaginationen: Häufig nutzen wir innere Bilder, um neue Lösungen zu finden – etwa ein schützendes Licht, ein Wohlfühlort oder eine kraftvolle Symbolfigur. Diese Bilder wirken tief, weil sie direkt im Unbewussten gespeichert werden und dir in schwierigen Momenten zur Verfügung stehen.
Integration & Ausblick: Am Ende jeder Sitzung nehmen wir uns Zeit, die neuen Erfahrungen zu integrieren. Du gehst mit einem gestärkten Gefühl und einem konkreten nächsten Schritt zurück in den Alltag.
Kein Mensch ist wie der andere und kein Therapieverlauf gleicht dem anderen. Die eine Klientin mag die Arbeit mit inneren Anteilen, die andere kann mit dem Konzept vielleicht nicht viel anfangen. Für jeden Klienten ist der Weg ein ganz individueller. Deshalb stellt dieser Ablauf hier nur eine Idee einer hypnosystemischen Sitzung dar. Jede Sitzung ist so individuell, wie der Mensch, der damit eine Veränderung für sich erzielen möchte.
Weitere Infos findest du in diesen Blogartikeln über innere Anteile, Hypnose und EMDR.
5 Mini-Impulse für deinen Alltag
Wie immer möchte ich dir an dieser Stelle auch gleich ein paar praktische Tipps für deinen Alltag mit auf den Weg geben. Probier sie für dich aus und schreib mir gerne unten in den Kommentaren, was für dich gut funktioniert hat.
- Atemanker setzen: Atme 3 Sekunden durch die Nase ein, atme 6 Sekunden durch den Mund aus. Wiederhole 3x.
- Ressourcen-Moment erinnern: Denke an eine Situation, in der du mutig warst. Spüre sie mit allen Sinnen nach.
- Systemische Frage: „Wenn meine Angst eine positive Absicht hätte – welche wäre das?“
- Wohlfühlort-Imagination: Schließe kurz die Augen und stelle dir deinen persönlichen Wohlfühlort vor.
- Körper-Check-in: Mehrmals am Tag kurz innehalten: „Wie geht es meinem Körper gerade?“
Diese Tipps könnte ich jetzt noch ganz ausführlich beschreiben, aber ich glaube, das würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Wenn du Fragen hierzu hast, schreib mir doch einfach, dann helfe ich dir gerne weiter.
FAZIT: Hypnosystemische Therapie kann ein Weg zur Veränderung sein
Hypnosystemische Therapie ist kein Zaubertrick – aber sie kann Türen öffnen, die lange verschlossen waren. Sie kann dir helfen, deine Angst oder innere Kritik nicht als Feind zu sehen, sondern als Teil von dir, der gehört werden will.
Vielleicht darfst du dir schon heute erlauben, den ersten kleinen Schritt zu gehen. Wenn du spürst, dass es Zeit ist, diese Angst nicht länger dein Leben bestimmen zu lassen, begleite ich dich gerne auf deinem Weg.
Möchtest du mehr über diesen Ansatz erfahren oder selbst ausprobieren, wie sich das anfühlt? Schau dich gerne auf meinem Blog um, abonniere meinen Newsletter oder vereinbare ein kostenloses Kennenlerngespräch mit mir. Ich freue mich, dich auf deinem Weg zu begleiten.
Du musst da nicht alleine durch, gemeinsam schaffen wir das.







