Reframing bei Angststörungen: Warum Bewertungen entscheidend sind und wie du sie verändern kannst
Manchmal macht dein Körper plötzlich einfach, was er will: Das Herz schlägt schneller, die Hände werden feucht, ein Druck breitet sich in der Brust aus. Und zack ist sie da, die Angst. Viele Frauen erzählen mir, dass sie in solchen Sekunden das Gefühl haben, komplett ausgeliefert zu sein. „Mein Körper übernimmt das Kommando“, „Da hilft nichts mehr“, „Ich weiß, dass es „nur“ Angst ist, aber das bringt mir keine Ruhe.“ – das sind Sätze, die ich häufiger höre.
Die gute Nachricht: Angst entsteht nicht einfach spontan oder aus dem Nichts. Sie entsteht in dir, genauer gesagt durch deine Bewertung dessen, was du wahrnimmst. Und das ist eine gute Nachricht, denn das gibt dir mehr Einfluss, als du vielleicht glaubst.
In diesem Artikel erfährst du:
- Warum deine Bewertung der Körpersignale Angst erst auslöst
- Weshalb es so schwer ist, diese Bewertung „einfach loszulassen“
- Welche inneren Anteile und Schutzmechanismen im Hintergrund wirken
- Wie Reframing aus hypnosystemischer Sicht funktioniert
- 3 konkrete Schritte, mit denen du deine Körperreaktionen neu einordnen kannst
Warum Angst eigentlich entsteht und was deine Bewertung damit zu tun hat
Angst ist ein uraltes Schutzsystem. Sie soll dich warnen, bevor eine Gefahr real wird. Mehr dazu findest du auch in meinem Blogartikel Angst verstehen. Der Auslöser ist dabei weniger das Körpersignal selbst, sondern die Bedeutung, die dein Gehirn, die du ihm gibt.
Ein Beispiel:
Herzklopfen kann bedeuten, dass du gerade eine Treppe hochgelaufen bist. Oder dass dein Körper aufgeregt ist. Oder dass dein Angstsystem Alarm schlägt.
Das Signal ist gleich, aber die Bewertung entscheidet, wie du dich fühlst. Dein Nervensystem reagiert nicht auf die Realität, sondern auf das, was es für die Realität hält.
Sobald du z. B. denkst: „Oh nein, dieses schummrige Gefühl im Körper ist ein Anzeichen für eine Panikattacke“ startet dein Körper eine Alarmkaskade. Dieser Alarm verstärkt wiederum die Symptome und das bestätigt die Bewertung. Ein klassischer Teufelskreis.
Warum es so schwer ist, die Bewertung einfach zu verändern
Viele meiner Klientinnen sagen: „Ich weiß doch rational, dass es nur mein Körper ist. Warum hilft dieser Gedanke nicht?“
Es wäre so schön, wenn wir einfach nur rational verstehen müssten, und das wäre unser Problem gelöst. Allerdings wissen die meisten meiner Klientinnen bereits unglaublich viel, sie haben gefühlt alle Ratgeber verschlungen, Podcasts gehört und so viel verstanden. Aber verändert hat es nicht viel, und zwar, weil dein Nervensystem mit Erfahrungen arbeitet, nicht mit Logik.
Machen wir doch einen kleinen Abstecher in die hypnosystemische Sichtweise: Innere Anteile wollen dich schützen. In dir gibt es oft einen Anteil, der sehr wachsam ist. Er hat früher gelernt: „Wenn ich Körpersignale ernst nehme, bin ich sicherer.“ Vielleicht durch stressige Lebensphasen, vielleicht durch Überforderung, vielleicht durch ein traumatisches Erlebnis. Oft aber einfach durch wiederholte, sehr unangenehme Angsterfahrungen.
Dieser Anteil ist nicht gegen dich, er ist für dich. Er will dich schützen. Er meint es gut.
Deshalb lässt er die alte Bewertung nicht einfach los. Sie war einmal sinnvoll und das erkennen wir im hypnosystemischen Arbeiten immer zuerst an und wertschätzen es. Denn das nimmt Druck raus. Und erst, wenn ein Anteil sich gesehen und gewürdigt fühlt, wird Veränderung leichter. Mehr über Ego State Therapie, also die Arbeit mit inneren Anteilen erfährst du im Blogartikel: Ego State Therapie leicht erklärt
Gewohnheiten im Nervensystem
Dein Körper liebt Muster. Ein bekanntes Körpersignal war vielleicht bereits mehrfach mit einer angstbesetzten Situation gekoppelt. Dein System hat gelernt: Wenn das Kribbeln in den Beinen auftaucht, dann ist das sehr wahrscheinlich eine gefährliche Situation. Reframing löst dieses Muster, aber dafür braucht es Wiederholung, Sicherheit und manchmal auch therapeutische Begleitung.
Was Reframing wirklich bedeutet
Reframing heißt nicht, sich etwas „schönzureden“. Es heißt: Einem Erleben eine neue, hilfreichere Bedeutung zu geben.
Statt: „Mein Herz rast – ich verliere gleich die Kontrolle.“
→ „Mein Herz schlägt schneller, weil mein Körper Energie bereitstellt.“
Statt: „Dieses Kribbeln heißt, dass etwas Schlimmes passiert.“
→ „Das ist eine Stressreaktion, die gerade viel größer wirkt, als sie ist.“
Reframing entlastet dein Nervensystem, weil es die automatische Gefahr-Bewertung unterbricht. Es schafft Raum für Handlung statt Hilflosigkeit. Es ist ein Prozess und du brauchst ein bisschen Geduld mit dir. Es gab vielleicht schon sehr viele Situationen, in denen das Körpersignal entsprechend gedeutet wurde und das verlernt sich nicht von heute auf morgen. Aber wenn du einmal anfängst, wirst du merken, wie Schritt für Schritt mehr Entspannung eintreten kann. Mehr zum Thema Nervensystemregulation findest du übrigens in meinen Artikel: Nervensystemregulation verstehen: Die 5 häufigsten Missverständnisse

Wie Achtsamkeit deinen Reframing-Prozess sanft unterstützt
Achtsamkeit ist einer der wirksamsten Begleiter, wenn es darum geht, Körpersignale neu zu bewerten. Nicht, weil du „ruhig bleiben musst“ oder ständig meditieren sollst, sondern weil Achtsamkeit dir hilft, eine kleine Lücke zwischen Reiz und Reaktion zu schaffen.
In Momenten, in denen dein Herz plötzlich schneller schlägt, passiert innerlich oft alles gleichzeitig: Wahrnehmung → Bewertung → Alarm. Achtsamkeit verlangsamt diesen Ablauf. Im Grunde kann sie das Signal geben: „Warte kurz. Lass uns erst einmal wirklich hinschauen.“
Was viele meiner Klientinnen überrascht: Bei Achtsamkeit geht es nicht darum, die Angst „wegzumachen“. Es geht darum, bewusst da zu sein, während etwas Unangenehmes passiert, ohne sofort in die gewohnte Geschichte einzusteigen. Und genau das macht Reframing leichter. Mehr zum Thema Achtsamkeit bei Angststörungen findest du unter: Wie Achtsamkeit dir bei Angst helfen kann
Wenn du achtsam bist, kannst du Körpersignale beobachten, ohne sie sofort als Gefahr einzuordnen. Du nimmst wahr, wie sich das Herzklopfen anfühlt, wie sich der Atem bewegt, wo Spannung sitzt und du bleibst trotzdem präsent. Diese Präsenz zeigt deinem Nervensystem: „Es ist okay. Wir müssen nicht sofort hochfahren.“
Achtsamkeit bringt also zwei wertvolle Dinge mit:
Innere Distanz, die Raum für neue Bewertungen schafft
Selbstmitgefühl, das die alten Schutzanteile beruhigt
Und genau diese Kombination macht den Unterschied. Wenn du präsent bleibst, können andere Perspektiven, also Reframings, überhaupt erst bei dir ankommen. Ohne Kampf, ohne Überforderung, dafür mit Klarheit und einer wertschätzenden inneren Haltung dir selbst gegenüber.
Zwei achtsame Mini-Übungen für dein Reframing
1. Die 20-Sekunden-Beobachterin
Diese Übung hilft dir, eine kleine Pause zwischen Körpersignal und Bewertung zu schaffen. Sie kann also der Kern des Reframings werden.
So geht’s:
Wenn ein Körpersignal auftaucht, halte innerlich kurz inne.
Stell dir vor, du wärst eine Beobachterin – neugierig, freundlich, ohne etwas verändern zu wollen.
Richte deine Aufmerksamkeit 20 Sekunden lang auf das Körpersignal:
Wo genau spürst du es?
Wie groß ist es?
Bewegt es sich?
Sag dir innerlich:
„So fühlt es sich gerade an. Ich darf einfach wahrnehmen.“
Warum das wirkt:
Diese liebevolle Distanz entkoppelt dich von der automatischen Angst-Bewertung und signalisiert deinem Nervensystem: „Alles gut, ich bin dabei.“
2. Der achtsame Atem-Anker
Diese Übung verbindet Atemregulation mit Achtsamkeit. Ideal, wenn du schnell im Körper, im Hier und Jetzt, bleiben möchtest.
So geht’s:
Lege eine Hand auf deinen Brustkorb oder Bauch.
Atme ein und stelle dir vor, du machst Platz für das Gefühl.
Atme langsam aus (etwas länger als ein).
Wiederhole 5–7 Atemzüge und sag dir:
„Ich bleibe bei mir.“Beobachte währenddessen nicht nur den Atem, sondern auch, wie das Körpersignal sich ganz natürlich verändert. Ohne Druck, ohne Ziel.
Warum das wirkt:
Du stärkst die Verbindung zu deinem Körper und übst gleichzeitig das „freundliche Dabeibleiben“, das Reframing erst möglich macht. Der Atem dient als Anker, damit du nicht in die Angstgeschichte hineingezogen wirst.
3 Schritte, wie du deine Körpersignale neu bewerten kannst
Nun folgen wieder ein paar praktische Schritte, die du direkt für dich umsetzen kannst. Probier sie für dich aus und gib dir Zeit. Beobachte, was sich verändert.
- Wahrnehmen statt wegdrücken
Sag innerlich:
„Ich nehme wahr, dass da gerade viel los ist.“
Allein das senkt den inneren Druck und stoppt das automatische Katastrophisieren.
- Neutral benennen, ohne Drama
Statt: „Oh Gott, was ist das jetzt wieder?“
Sag: „Aha, ein schneller Herzschlag. Ein Körpersignal.“
Neutralität ist oft schon ein Mini-Reframing.
- Eine alternative, körperfreundliche Bewertung anbieten
Beispiele:
- „Mein Körper schaltet gerade in den Aktivierungsmodus. Das ist unangenehm, aber nicht gefährlich.“
- „Das hier ist Stress, kein Notfall.“
- „Mein Nervensystem erinnert sich an etwas. Ich kann ihm helfen, sich zu beruhigen.“
Viele weitere Tipps findest du in meinen Artikeln zum NERVENSYSTEM, ANGST NACHHALTIG ÜBERWINDEN oder auch im Artikel KRISEN ÜBERWINDEN Zudem erläutere ich dir, warum es so wichtig ist, deinen Körper mit einzubeziehen: Körperorientierte Psychotherapie
FAZIT: Du kannst deine Bewertungen verändern
Du bist deinen Körpersignalen oder auch anderen mit der Angst verknüpften Wahrnehmungen nicht hilflos ausgeliefert. Du bist diejenige, die ihnen Bedeutung geben kann. Jede neue Bewertung, jeder kleine Moment achtsamer Wahrnehmung stärkt dein Vertrauen in dich und dein Nervensystem. Veränderung ist möglich. Nicht durch Kampf, sondern durch Verständnis, Würdigung und neue Sichtweisen. Schritt für Schritt.
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