Vermeidung bei Angst: Warum sie sich gut anfühlt – aber langfristig schadet
In diesem Artikel erfährst du, warum Vermeidung deine Angst verstärken kann. Welche Erfahrung du dir damit unbewusst nimmst und wie du mit kleinen, achtsamen Schritten wieder ins Vertrauen kommen kannst – auf deine eigene Art und Weise.
Angst will schützen und ist ein uralter, lebenswichtiger Teil von uns. Darüber habe ich z.B. bereits in dem Artikel „Angst verstehen, statt bekämpfen“ geschrieben. Was liegt näher, als dass wir Angstauslöser zu meiden versuchen? Eine ganz einfache und erstmal logisch erscheinende Konsequenz der Angst.
Kurzfristig fühlt es sich oft sogar erleichternd an: Kein Herzrasen, keine Unsicherheit, kein unangenehmes Gefühl. Doch was passiert langfristig, wenn wir Situationen, Orte oder Menschen immer wieder vermeiden? Genau darum geht es im folgenden Artikel.
Warum Vermeidung früher überlebenswichtig war – und heute oft zu viel Schutz bietet
Mir ist es ganz wichtig zu sagen: Vermeidung ist kein Zeichen von Schwäche. Im Gegenteil: Sie ist ein hochwirksamer Schutzmechanismus, der tief in unserem Nervensystem verankert ist. Und da kommt mal wieder der gern zitierte Säbelzahntiger ins Spiel. Schon in der frühen Menschheitsgeschichte galt: Wer gefährliche Situationen oder Raubtiere mied, hatte bessere Überlebenschancen.
Unsere Amygdala, das Angstzentrum im Gehirn, reagiert schnell – viel schneller als unser bewusster Verstand. Ich gehe jetzt hier nicht mit Zahlen ins Detail, aber sie ist sehr viel schneller und sie meint es dabei gut mit uns. Flucht, Erstarren oder Vermeiden haben früher Leben gerettet und tun das auch heute noch in verschiedenen Situationen.
In unserer heutigen Welt bewertet unser System allerdings viele harmlose Situationen als bedrohlich – wie einen Vortrag, eine Menschenmenge oder eine Busfahrt. Und das wird dann zum Problem: Was früher einmal unser Überleben sicherte, kann jetzt zu einer Einschränkung werden und uns im Alltag in unserer Freiheit begrenzen.
Was dabei im Gehirn passiert
Vermeidest du bestimmte Situationen, dann verknüpft dein Gehirn erstmal Erleichterung mit der Vermeidung. Wenn wir das als Gedanken formulieren wollen, dann konnte es zum Beispiel folgender sein: „Wenn ich nicht Bus fahre, bekomme ich keine Panik.“
Durch diesen Prozess entstehen nun Lernmuster, die sich immer stärker verfestigen. Die Folge dieser Lernmuster: Du traust dir mit der Zeit immer weniger zu. Und das ist das fatale an Vermeidung. Du schränkst dich eventuell immer weiter ein.
Wie ich schon in meinen Artikel „Den Kreislauf der Angst durchbrechen“ geschrieben habe, wäre aber das Gegenteil nötig, nämlich kleine Schritte, die dir positive Erfahrungen trotz Angst bringen. Kleine Erfolge, die dein Vertrauen in dich selbst wachsen lassen.
Was Vermeidung dir nimmt – und was du zurückgewinnen kannst
Wenn du nun also bestimmte Situationen, Menschen, Dinge usw. meidest, nimmst du dir damit:
- die Chance, zu erleben: „Ich kann das schaffen.“
- wichtige Erfahrungen für dein inneres Wachstum
- den Moment, in dem du mutig warst – trotz Herzklopfen
Und genau dort liegt die Chance und die Kraft: Es geht nicht um die Abwesenheit von Angst, sondern um in deinen Umgang mit ihr. In dem Moment, in dem du sagst: „Ich probiere es aus. In ganz kleinen Schritten, die für mich passen. Vielleicht braucht auch der kleinste Schritt schon Überwindung, aber ich gehe los.“
Der hypnosystemische Blick: Du bist die Expertin deines Lebens
Was ich am hypnosystemischen Ansatz so mag und was ihn in meinen Augen so wertvoll macht, ist dass nicht die Angst im Mittelpunkt steht – sondern du als Mensch mit deinen ganz individuellen Ressourcen, Fähigkeiten und deinem Entwicklungspotenzial.
Vermeidung nimmt dir die Möglichkeit, dich selbst neu zu erleben, neu zu lernen, zu erfahren, dass du es schaffen kannst. Wenn du kleine Schritte wagst, stärkst du damit dein Selbstbild. Du gewinnst Vertrauen in dich zurück – in deinen Körper, deine Gedanken, dein Handeln.
Und an dieser Stelle nochmal ganz wichtig, weil wir Menschen dazu neigen uns mit anderen zu vergleichen und uns klein zu machen: Du brauchst nicht perfekt zu funktionieren, es geht darum, neue Erfahrungen möglich zu machen – ganz in deinem Tempo.
3 Ideen, wie du Vermeidung sanft auflösen kannst
1. Mini-Schritte statt Konfrontation
Hier möchte ich einmal wieder den Ansatz der kleinen Schritte aufgreifen. Überlege dir bitte eine Situation, die du vermeidest und dann frage dich:
- Was wäre ein Mini-Schritt bezogen auf diese Situation?
- Was könnte ich ausprobieren, ohne mich zu überfordern?
Ein Beispiel hierfür könnte sein: Statt sofort Bus zu fahren, erst mal an der Haltestelle stehen. Vielleicht magst du auch einsteigen und einfach nach einer Station wieder aussteigen.

2. Nach dem Gefühl fragen
Bei dieser Übung geht es darum, dass du wieder das Ruder übernimmst. Wenn du also merkst, dass du etwas vermeiden willst, dann sag dir vielleicht innerlich kurz „STOPP“ und frage dich:
- Wovor genau habe ich Angst?
- Was befürchte ich – und wie wahrscheinlich ist es, dass das eintritt?
- Was bräuchte ich gerade, um einen ersten klitzekleinen Schritt zu wagen?
Mit dieser Methode übernimmst du wieder die Regie und zwar achtsam und in deinem Tempo.

3. Erfolge dokumentieren
Ich weiß, dass man diesen Tipp überall findet. Trotzdem möchte ich darauf eingehen, weil ich es für sehr wichtig halte. Schreib dir deine Erfolge auf und führe ein kleines Erfolgstagebuch. Damit hast du es später einmal schwarz auf weiß und kannst deine Entwicklung genau nachvollziehen.
Schreib dir zum Beispiel auf:
- Was habe ich mich heute getraut?
- Wie habe ich mich vorher, währenddessen und danach gefühlt?
- Was möchte ich mir dafür sagen?
Ja, das ist ein kleines bisschen Arbeit und du solltest es bestenfalls als Routine in deinen Alltag integrieren, damit du es auch wirklich umsetzt. Es kann dir aber sehr dabei helfen, dass du lernst: „Ich kann das schaffen. Ich wachse daran.“
So trainierst du, dich nicht mit deinen Gedanken zu verwechseln. Du hast Gedanken, aber du bist nicht deine Gedanken.

Fazit: Du darfst wachsen – über die Vermeidung hinaus
Im ersten Moment fühlt Vermeidung sich sicher an – aber sie engt dich ein. Sie nimmt dir die wunderbare Möglichkeit, zu erleben, wie kraftvoll du eigentlich bist. Der Weg raus führt bei mir und meinen Ansatz über kleine Schritte, damit es nicht zu einer Überforderung kommt, du neue Erfahrungen machen kannst und dir selbst die Erlaubnis geben kannst, nicht perfekt zu sein – sondern einfach menschlich.
Ich begleite dich gerne auf diesem Weg. In meiner Praxis in Köln Dünnwald oder online, arbeiten wir gemeinsam an deinem Vertrauen in dich selbst – mit hypnosystemischen Methoden, die dich in deiner Selbstwirksamkeit stärken.
Weitere hilfreiche Tipps bei Ängsten findest du in meinem Blog und auf meinem YouTube Kanal.
Wenn du dich durch Angst, Phobie oder Panik belastet fühlst, lade ich dich herzlich ein, dich bei mir zu melden. Gemeinsam finden wir heraus, was dir hilft, deinen eigenen Weg zurück in die Ruhe und Sicherheit zu finden. Ich bin für dich da. Buche dir gerne dein unverbindliches und kostenloses 15minütiges Kennenlern-Gespräch über Doctolib!