Scham verstehen und besser mit ihr umgehen
Was, wenn mit dir nie etwas falsch war?
Vielleicht kennst du dieses Gefühl auch: Ein Satz, ein Blick, ein Moment – und plötzlich willst du am liebsten im Boden versinken. Du merkst, wie dein Herz schneller schlägt, dein Bauch sich zusammenzieht und du dich am liebsten unsichtbar machen würdest. Da ist sie: Die Scham.
Scham ist eines der intensivsten und gleichzeitig am meisten unterschätzten Gefühle. Sie wirkt zwar oft leise, subtil im Hintergrund und doch hat sie eine enorme Kraft: Sie beeinflusst, wie wir über uns denken, wie wir Beziehungen gestalten, wie mutig oder zurückhaltend wir durchs Leben gehen.
Leider reden wir in unserer Gesellschaft nur wenig über Scham. Und gerade Frauen bekommen oft früh vermittelt, wie sie „sein sollen“: nicht zu laut, nicht zu emotional, nicht zu viel. Wenn wir diesen Erwartungen nicht entsprechen, meldet sie sich: die Scham.
Vielleicht taucht bei dir gerade die Frage auf: Was genau ist Scham denn eigentlich? Warum empfinden wir sie? Und brauchen wir sie überhaupt? Wäre es nicht schön, wenn es sie gar nicht gäbe? Ab wann wird sie zur Last?
In diesem Artikel möchte ich dir helfen, Scham besser zu verstehen, ihre Wurzeln zu erkennen und dir vor allem zeigen, wie du liebevoller mit dir selbst umgehen kannst, wenn sie sich zeigt. Am Ende findest du wie immer drei Impulse zur sofortigen Umsetzung.
Wie hängen Scham und Angst zusammen?
Scham und Angst – zwei Gefühle, die uns oft lähmen, zurückhalten oder in tiefe Selbstzweifel stürzen können. Vielleicht kennst du das auch: Du vermeidest Situationen, in denen du dich „blamieren“ könntest, weil du fürchtest, etwas falsch zu machen – oder einfach nicht „richtig“ zu sein. In meiner Praxis begegne ich vielen Frauen, die unter Phobien, Panikattacken oder generalisierter Angst leiden. Bei genauem Hinsehen spielt Scham fast immer eine große Rolle.
Falls du mehr zur Entstehung von Ängsten, dem Angstkreislauf und hilfreichen Körperübungen bei Ängsten wissen möchtest, dann lies gerne in meine Blogartikel rein.
Was ist Scham überhaupt?
Scham ist ein soziales Gefühl, das entsteht, wenn wir glauben, gegen soziale Erwartungen oder eigene Wertvorstellungen zu verstoßen. Anders als Schuld (die sich auf das eigene Verhalten bezieht), zielt Scham auf das eigene Selbst: „Ich bin falsch“, „Ich genüge nicht“, „Mit mir stimmt etwas nicht“. Scham bezieht sich immer auf den ganzen Menschen. Dazu kommt die Körperreakton (z.B. rot werden, schwitzen, etc.).
Sie kann sich zeigen als:
- das Gefühl, sich verstecken zu wollen,
- das Bedürfnis, nicht aufzufallen,
- das Vermeiden von Blickkontakt oder bestimmten Gesprächen.
Wie entsteht Scham?
Scham entsteht oft früh in der Kindheit, zum Beispiel durch:
- abwertende Kommentare („Sei nicht so empfindlich!“),
- Bloßstellungen („Jetzt heul doch nicht vor allen!“),
- wiederholte Zurückweisungen („Du bist zu laut / zu faul / zu schwierig…“).
Das Gehirn lernt: So wie ich bin, bin ich nicht richtig. Und um Ablehnung zu vermeiden, entwickeln wir Strategien, uns anzupassen – was kurzfristig schützt, langfristig aber einengend wird. Scham ist also häufig ein Relikt früher Entwertung aus der Kindheit.

Warum ist Scham auch sinnvoll?
So unangenehm sie ist – Scham hat auch eine Funktion. Sie hilft uns, uns in sozialen Gruppen zurechtzufinden, Normen einzuhalten und Beziehungen zu regulieren. Ohne Scham würden wir womöglich Grenzen anderer verletzen oder uns rücksichtslos verhalten. Scham kann uns helfen zu erkennen, was wir ändern sollten. Aber: Zu viel Scham kann schaden – vor allem dann, wenn sie unbewusst und dauerhaft wirkt.
Warum Menschen mit Ängsten oft besonders viel Scham empfinden
Menschen mit Angststörungen haben häufig ein erhöhtes Bedürfnis nach Kontrolle, Sicherheit und sozialer Akzeptanz. Wenn sie dann plötzlich erleben, dass der Körper nicht „mitmacht“ – etwa bei einer Panikattacke im Supermarkt oder wenn sie eine Party absagen „müssen“ – gesellt sich zur Angst sehr oft ein innerer Kritiker, der flüstert:
„Stell dich nicht so an“,
„Alle denken, du bist verrückt“,
„Du bist eine Belastung.“
Vielleicht geht es dir wie mir früher: Ich wäre gerne so locker und entspannt gewesen, wie die anderen. Mein innerer Satz war: „Stell dich nicht so an.“ Zusammenreißen, keine Aufmerksamkeit auf sich lenken. Einfach funktionieren. Mal eben über die wackelige Hängebrücke laufen ohne Ängste. Ohne im Mittelpunkt zu stehen, weil mein Körper gestreikt hat und dann erstmal einen Moment gar nichts mehr ging.
Das Ergebnis ist bei vielen Menschen: Noch mehr Rückzug, noch mehr Scham – und die Spirale dreht sich weiter.
Was du gegen übermäßige Scham tun kannst – 3 Tipps zur sofortigen Umsetzung
- Scham benennen – und dadurch entmachten
Scham lebt von Heimlichkeit. Wenn du beginnst, sie zu benennen, verliert sie oft an Macht. Du kannst z.B. sagen (zu dir selbst oder einer vertrauten Person):
„Ich merke gerade, dass ich mich schäme.“
Das klingt simpel – wirkt aber tief, denn allein das Aussprechen hilft, innerlich Abstand zu gewinnen.
- Den inneren Kritiker erkennen – und in den Dialog gehen
Stell dir vor, der kritische Gedanke sei eine Stimme in deinem Kopf – und frag dich:
- „Wem gehört diese Stimme?“
- „Ist das wirklich meine Wahrheit oder ein alter Glaubenssatz?“
- „Was würde ich meiner besten Freundin in dieser Situation sagen?“
Vielleicht entdeckst du einen inneren Anteil, der zu einem früheren Zeitpunkt entstanden ist und der noch gar nicht weiß, dass du heute erwachsen bist und die Situationen meistern könntest. Hört sich komisch an? Dann lies gerne mal in meinen Artikel über die inneren Anteile rein.
Mit dieser Übung entlarvst du alte Muster – und stärkst deine Selbstfürsorge.
- Scham durch Mitgefühl ersetzen – mit dir selbst
Wir gehen mit uns selbst oft so hart ins Gericht. Wie wäre es, wenn du dir selbst gegenüber mitfühlen sein könntest? Wenn du spürst, dass sich Scham ausbreitet, dann halte kurz inne. Lege deine Hand auf dein Herz oder deine Brust und sage dir innerlich:
„Es ist okay, dass ich mich gerade so fühle. Ich bin ein Mensch. Ich muss nicht perfekt sein.“
Es ist eine ganz einfache Geste und für dein Nervensystem ein ganz wichtiges Signal: Ich bin sicher. Ich darf fühlen. Ich darf sein.

Fazit: Scham verstehen – Angst loslassen
Scham ist ein zutiefst menschliches Gefühl – und kein Zeichen von Schwäche. Wenn du verstehst, woher sie kommt, wie sie wirkt und wie du ihr begegnen kannst, gewinnst du Stück für Stück deine innere Freiheit zurück. Wie bei (fast) allen Themen, über die ich hier schreibe, ist es ein Prozess. Ein Ausprobieren. Ein Weg, den du gehen kannst, wenn du magst.
Wenn du das Gefühl hast, dass Scham und Angst dich dauerhaft einschränken, such dir Unterstützung auf deinem Weg. Du musst ihn nicht allein gehen. In meiner Praxis in Köln Dünnwald oder online begleite ich dich gern dabei, deine Ressourcen (wieder) zu entdecken und deinen eigenen, selbstbestimmten Weg zu gehen.
Für weitere hilfreiche Tipps abonniere gerne meinen Newsletter. Alles rund um Ängste, Phobien, Panikattacken und Stress findest du in meinem Blog und auf meinem YouTube Kanal.
Wenn du dich durch Angst, Phobie oder Panik belastet fühlst, lade ich dich herzlich ein, dich bei mir zu melden. Gemeinsam finden wir heraus, was dir hilft, deinen eigenen Weg zurück in die Ruhe und Sicherheit zu finden. Ich bin für dich da. Buche dir gerne dein unverbindliches und kostenloses 15minütiges Kennenlern-Gespräch über Doctolib!